Lieber feiern, als zu fasten – das liegt den Wissersheimern dokumentiert schon seit 500 Jahren im Blut.
Die aktuelle Episode der Wissersheimer Geschichte verbietet dies fast vollständig. In den kommenden Wochen und Monaten werden wieder viele Veranstaltungen ausfallen; Mainacht, Schützenfest, Dorftrödel und co.
Damals gab es viele Anlässe zu feiern und diese wurden auch vielfältig, mehrfach und ausgelassen begangen. Das Jugendheim neben der Kirche war damals regelmäßiger Veranstaltungsort für die Feiern der Senioren wie die Bilder zeigen.
Auf welche Feste freut ihr Euch nach der Corona-Pandemie, oder ist es einfach nur die große Runde im eigenen Garte, der eigenen Straße die euch fehlt?
In Wissersheim lebten 1933 laut dem Realschematismus der
Diözese Aachen 602 Katholiken und 5 evangelische Christen. Keine Bürger
jüdischen Glaubens.
In den 30er Jahren wurde jedoch irgendwann ein Holzschild an
der alten Schule in der heutigen Frongasse angebracht. Es trug die Aufschrift
„Juden sind an diesem Orte unerwünscht“ es war etwas 60cm x 60cm
groß. Wer es aufgehängt hat ist unbekannt. Es hing auch noch dort, als die
US-Amerikaner den Ort einnahmen. Auf dem Foto ist es im Hintergrund zu sehen.
Von der Reichspogromnacht wird weder von Schulchronik noch
von Pfarrer Ingenlath Notiz genommen. In einer später gefertigten Randnotiz
wird dieses Datum ergänzt.
Zu den Konzentrationslagern vermerkt Hermann Schnitzler,
dass fast die ganze Gemeinde (gemeint ist Wissersheim) erst nach dem Krieg von
diesen erfuhr. Von Erzählungen meines Großvaters aus Erftstadt-Borr weiß ich,
dass man in der damaligen Zeit sehr wohl Notiz davon nahm, dass Menschen
verschwanden und man auch wusste weshalb.
In anderen Orten der Gemeinde gab es Deportationen, die in
Herbert Pelzers Buch „Moritz, Martha und die Anderen“ erläutert sind.
Er geht hier dezidiert auf die Vorgänge in der heutigen Gemeinde Nörvenich ein.
Das Bild zeigt Peter und Isabella Ehser am 17.02.1940 mit
Leutnant Dörps und dem Feldwebel Schulze der 13. Kompanie „Hirschberger
Jäger“
Zu Beginn des Jahres 1933 wird in Wissersheim kaum Notiz von
den Ereignissen in Berlin genommen. Begeisterungsströme sind nicht verzeichnet.
Pfarrer Ingenlath bringt folgendes zu den Ereignissen in 1932/33 zu Papier:
Das Jahr 1932 wuchs sich aus zu einem Jahr der
Reichstagsauflösungen und -neuwahlen. Am 29.5 wurde nach fast 2-jähriger
erfolgreicher Tätigkeit das Kabinett Brüning (Zentrumspartei) jäh gestürzt und
Herr von Papen mit der Neubildung der Regierung beauftragt. Am 31. Juli war
wieder Reichstagswahl, die aber die von der nationalen Rechten gewünschte
Neuorientierung nicht brachte. Das „romantische“ Vorgehen des
ehemaligen Ulanen-Offiziers Herrn von Papen setzte seiner eigenen Tätigkeit
bald ein Ende und Herr General von Schleicher vom sogenannten „Herrenklub“
bildete die neue Regierung, die (sich bis) am 6. November wieder
Reichstagswahlen ausschrieb, aber auch dieses System wurde durch Machenschaften
der Rechten (Hugenberg) unterminiert und gestürzt am 27.01.1933. Jetzt wurde
von Herrn Reichs-Präsidenten von Hindenburg zum Reichs-Kanzler ernannt Adolf
Hitler, der die neue Regierung bildete und für den 3. März Neuwahlen
ausschrieb.
Bei den Wahlen 1932 und am 05.03.1933 erhielt die NSDAP in
Wissersheim folgende Ergebnisse:
31.07.1932 – 4 Stimmen (1,74 %) stärkste Partei: Zentrum
06.11.1932 – 3 Stimmen (1,22 %) stärkste Partei: Zentrum
05.03.1933 – 49 Stimmen (22,58 %) stärkste Partei: Zentrum
Hermann Schnitzler notiert, dass es bis auf ein paar
SA-Mitläufer keine Nationalsozialisten im Ort gegeben haben soll. An
katholischen Feiertagen durfte nicht mehr mit religiösen Fahnen geflaggt
werden, dies war nur noch mit Hakenkreuzfahnen zulässig. Wie auf dem Bild
zusehen Pfingsten 1936.
Im Dorf gab es wohl Mitglieder der NSDAP, eine entsprechende
Liste gefertigt von Heinz-Adolf Ehser liegt vor. Ob die darauf stehenden
eintreten mussten, oder freiwillig Mitglied waren ist nicht hinterlegt
Andere erwähnenswerte Ereignisse im Jahr 1933 sind die
Schließung der Schule Ende Januar wegen einer grassierenden Grippe und die
Stiftung der Turmuhr am 23.04.1933 durch Herrn Eduard Zillikens, Pächter des
Fronhofs.
Wer diese Seite schon längere Zeit verfolgt, dem wird
vielleicht aufgefallen sein, dass es nur sehr wenige Beiträge zu Wissersheim im
Nationalsozialismus gegeben hat. Meist nur Beiträge die Personen beleuchten die
gute Einzelhandlungen vollzogen haben.
Die Zeit des Nationalsozialismus in Wissersheim ist gut
erfasst. Chronik der Volksschule und des Pfarrers Ingenlath, Aufzeichnungen von
Hermann Schnitzler, Nachforschungen von Heinz-Adolf Ehser und eine
Zusammenstellung des Heimat- und Geschichtsverein von Jürgen Dominikus bieten
ein umfassendes Bild dieser Zeit.
Was hat uns bislang davon abgehalten, Geschichten über diese
Zeit zu veröffentlichen? Es sind Rückschaufehler, die wir gerne begehen, wenn
wir über Ereignisse dieser Zeit lesen. Wir gehen fest davon aus, dass wir nicht
so gehandelt hätten, hätten wir in dieser Zeit gelebt. Durch diese
Rückschaufehler kommt es dazu, dass Menschen dieser Zeit verurteilt werden.
Menschen aus Familien, die heute noch hier leben.
Wir können allerdings nicht wissen, wie wir damals gehandelt
hätten. Wir kennen die Stimmung nicht; wir kennen die Nachrichten- bzw.
Propagandalage nicht; wir haben ein anderes Wertemodell. Wer sich heute in
sozialen Medien betätigt, der weiß wie einfach Fehlinformation ist. Wir alle
haben durch unsere Likes und Freundschaftsanfragen einen gewissen
Informationshorizont geschaffen aus dem wir uns informieren. Nachrichten, die
dem nicht entsprechen, nehmen wir nicht mehr wahr.
Stellen sie sich mal vor, dass Ihnen von „oben“
ein Informationshorizont gegeben wird, weil es keine andere Presse mehr gibt
als den Völkischen Beobachter, wo Ihnen ein Radio ins Wohnzimmer gestellt wird,
in dem jeder die Propaganda direkt aufs Tablett serviert bekommt. Wo es nur
möglich ist, über den Tellerrand zu blicken, wenn man ausländische Nachrichten
hört.
Die vorzustellen ist schier unmöglich. In den kommenden
Beiträgen werde ich versuchen, auch die Zeit des Nationalsozialismus zu
beleuchten. An dieser Stelle allerdings die eingehende bitte, genannte Personen
nicht zu verurteilen. Ihr handeln mag zwar nach heutigen Maßstäben zweifelhaft
sein, zur damaligen Zeit waren Sie allerdings normal und von der damaligen
Gesellschaft akzeptiert. Es ist diese Akzeptanz der Gesellschaft, die das ganze
Kapitel erst möglich machte.
Schaut man sich die Ereignisse am Bundestag oder in dieser
Nacht am Kapitol in Washington D.C. an, so ist es leider nicht mehr weit hin.
Das Bild zeigt den Heldengedenktag (Volkstrauertag) im Jahr
1940.
Wie bereits öfter berichtet war der Grundbesitz von
Wissersheim in viele kleine Teile zersplissen und die Acker im und um das Dorf
waren in unzählige Eigentümer aufgeteilt.
Im 19. Jahrhundert waren die viertgrößten die Geschwister
Lindgen. Der Name ist fast verschwunden. In der Kirche werden regelmäßig noch
Intentionen für die Geschwister verlesen. Grund sind meistens Stiftungen, die
viele Jahre wenn nicht Jahrzehnte halten. So war es vor dem Weltkrieg auch noch
für die ehemaligen Herren von Goyr, denen die Burg von Wissersheim gehört haben
soll.
Hermann Schnitzler mutmaßt, dass es sich bei dem Hof am
Dorfplatz um das im 16. Jahrhundert genannte Stein Kroichs Lehnsgut handeln soll.
Damals hatte der Hof 74 Morgen und um 1900 120 Morgen.
Die Geschwister Lindgen waren unverheiratet. Nachdem die
Letzte, das Fräulein Lindgen starb, ging der Besitz an Verwandte über.
Christian Zens heiratete eine Verwandte der Geschwister
Lindgen von Rath, Helene Nießen. Zu dieser Zeit war das Ackerland verpachtet.
Nach der Heirat wurde der Hof wieder selbst bewirtschaftet.
Der Hof ist in einem hervorragendem Zustand. Im letzten Jahr
wurde der Hof umfangreich renoviert. Der Hof wurde erst 2006 unter Denkmalschutz
gestellt. Die Eigentümerfamilie selbst sorgte dafür.
Am 21.10.1982 gab es einen Zeitungsartikel in der Dürener Zeitung der über das Vorhaben einer neuen Kirchturmspitze berichtete.
Als der Bauantrag zur Entscheidung lag, wurde darüber gemutmaßt, ob eine rote Lampe auf dem Kirchturm installiert werden müsse. In der Nähe liegt der Fliegerhorst und die dort beheimateten Starfighter flogen sehr tief.
Über der Kirche von Eschweiler über Feld thronte schon eine Lampe die in der Dunkelheit Kollisionen verhindern sollte. Diese sorgte für eine Schmunzeln in der Politik. Gemeindedirektor Gerd Bandilla sagte dazu: „Jetzt wird im Ort schon der Kirchturm rot.“ Die SPD hatte bei der Wahl zuvor im Ort erfolge errungen.
Auf den 20 Meter hohen Kirchturm von Wissersheim wurde ein neuer Helm aufgesetzt. Eine rote Laterne haben heute weder Wasserturm noch Kirchturm.
Im Jahr 1964 wurde mit dem Hamburger Abkommen eine
Vereinbarung der Ministerpräsidenten zum allgemeinbildenden Schulwesen
beschlossen. Diese sollte das Schulsystem Deutschlands vereinheitlichen.
Vereinbart wurde die Trennung von Grundschule und den
weiterführenden Schulen. Der Begriff Volksschule durfte fortan nur noch für die
gemeinsame Grund- und Hauptschule genutzt werden.
Gleichzeitig sollten in NRW die Gebietsreformen stattfinden.
Die Entscheidung über den Schulstandort sollte also auch Vorentscheid für die
späteren Verhältnisse sein.
Im Wissersheimer Gemeiderat favorisierte man früh, dass die
Kinder zur Grundschule nach Gymnich sollten, da man relativ nah beisammen war und
durch die Orientierung Richtung Erftstadt eine bessere Anbindung erwartete.
Auch in Nörvenich bemühte man sich Anfangs noch um die
Gemeinde Wissersheim, aber nichts half. 1968 kam die Zustimmung, dass
Wissersheim zur Erftstadt geht. Die Kinder sollten jedoch nicht mehr nach
Gymnich, sondern nach Lechenich.
In das Schulgebäude in Wissersheim wurde zuletzt 1960
kräftig investiert. Neben anderer Bauarbeiten wurden eine Ölheizung eingebaut
und der Schulplatz befestigt. Die Kinder wurden in dieser Zeit in Rath
unterrichtet.
Die Investitionen und laufenden Kosten belasteten die
Gemeinde Wissersheim schwer und so mussten die „hohen“
Realsteuerhebesätze bestehen bleiben:
Grundsteuer A: 150 Prozent
Grundsteuer B: 200 Prozent
Gewerbesteuer: 275 Prozent
Die Volksschule wurde schließlich 1969 geschlossen. 1970
wurde hier der Kindergarten gegründet. Seit 2005 lautet der Name des
Kindergartens „Kita Kunterbunt“. In das Gebäude wurde nochmal
investiert. Es folgte ein Anbau und eine umfassende energetische Sanierung.
Die Lehrerdienstwohnung im Dachgeschoss wurde nach 1969 als
Asyl- und Obdachlosenunterkunft genutzt. Derzeit steht sie leer.
Gestern gab es hier einen Überblick über die schulischen
Verhältnisse von Wissersheim, zum Gebäude, zur Anstellung der Lehrer.
Heute geht es um den Unterricht. Das 1844 errichtete
Schulgebäude bot Platz für 2 Klassenräume. Einer im Erdgeschoss und einer im
Obergeschoss der über eine Holztreppe erreichbar war. Die Unterklassen (Klasse
1 bis 4) wurden um Untergeschoss, die Oberklasse (Klassen 5 bis 8) im
Obergeschoss unterrichtet. Die Schüler wurden gemeinsam unterrichtet. Der
Schulleiter unterrichtete die Oberklasse.
Vor der Schule standen damals zwei alte Lindenbäume. Bevor
die alte Schule, die vermietet war, abgerissen wurde, war vor der Schule der
Pausenhof.
Die Schulräume waren einfach eingerichtet. In der Mitte des
Raumes stand ein Kanonenoffen, der mit Holz oder Kohle gefeuert wurde. Dieser
sorgte im Winter für warme Raumtemperaturen.
Die folgenden Bilder haben wir vor einigen Jahren schon mal
veröffentlicht, jedoch möchten wir dies nun gerne wieder tun.
Schaut mal rein, ihr erkennt garantiert einige Gesichter.
So zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatte Wissersheim noch
keine Schule. Die Kinder mussten nach Hochkirchen bzw. nach Nörvenich laufen.
Hermann Schnitzler vermutet, dass das alte Schulgebäude im
17. Jahrhundert gebaut wurde. Der erste Lehrer ist laut Schulchronik ab 1794
nachweisbar. Alle Lehrerinnen und Lehrer hat Karl-Heinz Jansen auf der
Wikipedia-Seite von Wissersheim gelistet.
Im Jahre 1844 wurde ein neues Schulgebäude errichtet. Das
alte Gebäude wurde fortan als Wohnung für die Lehrer genutzt und später
vermietet. Im Jahre 1960 wurde das Gebäude abgerissen.
Anfang des 19. Jahrhundert wurde der Schulunterricht auch
zeitweise in der Gastwirtschaft Kemmerling, Ecke Kanisstraße und Am Kallenberg
(heute Michelle Zens früher Belitz) gehalten. Hier hielt ein Herr Axer den Unterricht,
der soll gleichzeitig Schuster, Kürschner und Lehrer gewesen sein.
Von Lehrer Peter Theißen, er fing am 1. November 1879 an,
ist das monatliche Salär verzeichnet. Der erhielt am Anfang 90 Mark und nach
der Heirat dann 120 Mark. Er hatte 8 Kinder.
In Wissersheim unterrichteten auch viele Lehrerinnen. Die
erste war wohl 1873 Therese Dick. Auffällig sind die relativ kurzen
Dienstzeiten. Das hatte einen einfachen Grund, bis 1951 gab es in Deutschland
das sogenannte Lehrerinnen-Zölibat. Entschied sich eine Lehrerin zu heiraten,
musste sie ihre Stellung als Lehrerin aufgeben. Das Zölibat wurde 1880 in
Preußen eingeführt.
Dazu hatte wohl geführt, dass im Einführungsjahr viele
Männer nach Lehrerstellen sorgten und diese besser in Verbänden organisiert waren.
Dazu kamen wohl auch die tradierten Wertvorstellungen. Noch bis in die 1970er
Jahre gab es die Regelung, dass Frauen zum Antritt eines Berufs die Zustimmung
ihres Mannes brauchten. Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 1997 strafbar.
Die Geschichte der Wissersheimer Schule wirft auch ein Blick
auf die Gleichbehandlung von Mann und Frau. Heute wird Gleichberechtigung als
Selbstverständlichkeit angesehen, allerdings braucht es dazu noch einiges.
Als die Deutsche Reichswehr besiegt wurde und das linke
Rheinufer verlassen hatten kamen Franzosen nach Wissersheim. Diese wurden in
Wissersheim Einquartiert und lagen zu je 5-6 Mann zusammen. Sie blieben jedoch
nur 5 Tage und zogen wieder ab. Es sind keine Racheaktionen der Franzosen
verzeichnet.
Nach den Franzosen kamen die Briten. Sie wurden auf den
kompletten Ort verteilt. Auch die Briten ließen die Bevölkerung in Ruhe.
Die Einwohner wurden registriert und erhielten Ausweise. Vor
jeder Haustür hing ein Zettel mit dem Namen der Personen, die in diesem Haus
wohnten.
In der Zeit gab es nur einen Zwischenfall. In der Kantine
der Engländer, im Hause Ferdinand Zens, wurde eingebrochen. In der Nacht drauf
wurde das komplette Ort auf Links gedreht. Gesucht wurden englische Zigaretten.
Man wurde allerdings nicht fündig. Es wurde nichts gefunden.
Es folgten Ausgangsbeschränkungen. Danach war wieder alles
in Ordnung. Man arrangierte sich mit den Briten. Vor dem Union Jack musste die
Kopfbedeckung abgenommen werden. Die Briten waren generös, Schokolade und Tabak
gab es reichlich.
Als die „Besatzer“ abzogen floßen manche Tränen.
Das Foto ist leider nur ein Symbolbild. Aus der Zeit habe
ich keine Fotos aus Wissersheim. Das Foto zeigt französische Soldaten vor einer
Festung in Koblenz.
Morgen folgt der Jahresrückblick 2020. In diesem Jahr ist
viel passiert. Vieles ist nicht mehr so präsent.